Vom Wissen und Tun

Ruth Seliger, März 2024

Wenn zwei Bücher heiraten, was kann dabei schon rauskommen?

Ich habe mit großem zeitlichen Abstand zwei Bücher geschrieben, die in meinem Kopf immer schon miteinander verbunden waren:

„Das Dschungelbuch der Führung“

2007 ist mein erstes Buch – „Das Dschungelbuch der Führung“ – erschienen. Es war mir wichtig, dem gängigen Verständnis, dass Führung bei den Menschen – den „Führungskräften“ – ansiedelt und damit ein „psychologisches“ Phänomen ist, ein Konzept gegenüberzustellen, das systemtheoretisch begründet ist: Führung ist eine Funktion in Organisationen, die an Aufgaben und nicht an einzelnen Personen gebunden ist. In der einschlägigen Literatur über Führung kann man lange Listen von Normen und Geboten finden, an die sich „gute Führung“ halten sollte: empathisch, klar, wertschätzend, selbstreflektiert und vorbildhaft soll sie sein. 

Führung soll – im systemtheoretischen Verständnis – nicht darüber definiert werden, wie sie „SEIN“ soll, sondern darüber, was sie zu „TUN“ hat. Das ist nebstbei auch leichter zu beobachten und zu bewerten.

Die Funktion und Aufgabe von Führung ist es, durch Entscheidungen Komplexität von Organisationen zu reduzieren (oder zu erweitern) um einerseits die Handlungs- und Kooperationsmöglichkeiten der Menschen in der Organisation sicherzustellen und andererseits die Organisation „überlebensfähig“ zu halten. In der „Leadership-Map“ habe ich versucht, die unterschiedlichen Richtungen und Prozesse von Führungsentscheidungen zu beschreiben und damit einen Kompass für Führung zu bieten, um gut durch den Dschungel der Organisation zu gehen.

Zu den wichtigsten Entscheidungen von Führung gehört es, die Dynamik und das  Zusammenspiel zwischen der eigenen Organisation und ihren (relevanten) Umwelten zu beobachten, die Aufmerksamkeit der Menschen in der Organisation darauf zu lenken und diese Perspektive in die Strategien einzubeziehen.

In Zeiten großer gesellschaftlicher Transformationsprozesse kommt dieser Perspektive eine besonders große Bedeutung zu: gesellschaftliche Veränderungen wirken direkt in die Organisation hinein. Es stellen sich neue Fragen: Was wird von uns als Organisation erwartet? Wie können wir darauf reagieren? Was können und müssen wir verändern? Welche Partner können wir für diese Umbrüche gewinnen?

Darum geht es in meinem anderen Buch.

„Systemische Beratung der Gesellschaft. Strategien für die Transformation“

Das Thema „Führung“ wird in der Gesellschaft sehr kontroversiell diskutiert: in manchen gesellschaftlichen Gruppen, etwa in manchen NGO’s und kritischen politischen Bewegungen ist Führung negativ besetzt, wird mit Begriffen wie „Unterdrückung“ oder „Herrschaft“ verbunden. Für andere gesellschaftliche Gruppierungen sind Führung und Macht durchaus positiv und erstrebenswert, denn sie bedeuten größere Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten.
Zu „Führung“ kann man nicht neutral stehen. Man muss sich zu ihr positionieren. Das kann aufgrund moralischer Grundwerte, Gewohnheit, Prinzipen, Menschenbilder oder Glaubenssätzen geschehen.

Die Transformation der Gesellschaft – belassen wir es einmal bei diesem unscharfen Begriff – wird nicht ohne Organisation und Führung möglich sein, Führung wird aber auch selbst Thema der Transformation sein (müssen). Steuerung, Entscheidungen, Macht und Kooperation werden derzeit bereits diskutiert.

Thesen über Transformation und Führung

Die Verbindung meiner beiden Bücher habe ich in ein paar Thesen zusammengefasst, die mich sowohl in meiner beraterischen Arbeit mit Organisationen als auch in meinem gesellschaftspolitischen Handeln leiten:

  • Soziale Systeme – auch Organisationen oder „die Gesellschaft“ – sind Kommunikations-Systeme: wer sie verändern will, muss die Kommunikation verändern.
  • „Transformation“ ist ein größeres Vorhaben als „Change“: Beim „Change-Management“ werden die Muster eines Systems verändert. Durch „Transformation“ verändert sich das Systems selbst. Das bedeutet, dass bei Transformation alle Prinzipen und Weltbilder selbst geändert werden, es handelt sich um einen Paradigmenwechsel.
  • Komplexe Veränderungen gelingen nur, wenn die relevanten Vertreter:innen der Organisation in einen Diskurs gehen und ihre unterschiedlichen Perspektiven bearbeiten können.
  • Wer komplexe Veränderungs-Prozesse anregen, gestalten und begleiten will, braucht dafür ein solides theoretisches Fundament und Methoden für die Prozess-Gestaltung. Das sind vor allem Theorien und Methoden über soziale Systeme, Kommunikation und Veränderungsprozesse. Die Prozesse selbst sollen Menschen einladen, sich zu beteiligen und Veränderungs-Energie zu aktivieren.
  • Sowohl Führung als auch Beratung werden neue und weitere professionelle Kompetenz aufbauen müssen. Es wird ein Basis-Wissen über die großen gesellschaftlichen Themen der Transformation notwendig werden, etwa Grundlagen über Fragen von Ökologie und Wirtschaftskonzepte. Eine ähnliche Wissenserweiterung von Führung war etwa in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts gefordert, als sich die Führungsrolle veränderte und psychologisches Wissen notwendig wurde.
  • Veränderungen komplexer Systeme brauchen komplexe Veränderungs-Systeme. Mit einfachen Formaten, Erklärungen, Mitteln und Strategien gelingt das nicht. Kooperationen, Bündnisse und Allianzen sind eine Möglichkeit, die notwendige Komplexität herzustellen.
  • Veränderungen von Gesellschaft und Organisationen sind untrennbar miteinander verbunden, sie befinden sich immer schon in einem Prozess der „Ko-Evolution“. Keines der beiden Systeme kann daher unabhängig vom anderen gedacht werden.
  • Organisationen und ihre Führung müssen sich selbst transformieren. Das gilt auch für jene Organisationen, deren „Geschäftsmodell“ die gesellschaftliche Transformation ist.
  • Systemische Beratung für Transformation darf niemals „missionarisch“ sein, sondern lediglich neue Fragen stellen, die neue Suchprozesse auslösen und neue Perspektiven ermöglichen, die wiederum neues Handeln bewirken können.

Nach der Hochzeit kommen oft Kinder

Was tun mit all den Erkenntnissen, Erfahrungen und Hypothesen? Das alles müsste doch ins Leben kommen. Wie in meiner ersten These beschrieben, braucht Transformation neue Kommunikations-Formate. Ich habe daher zwei Lern- und Diskursformate entwickelt:

„Leading Transformation“ ist ein Programm für Personen, die sich im Rahmen ihrer Organisationen und im Rahmen ihrer Führungsfunktion mit der Gestaltung von Transformations-Prozessen befassen (müssen). Transformation wird hier „von innen nach außen“ gedacht: aus der Perspektive von Organisationen und ihrer Führung auf gesellschaftliche Entwicklungen und die Möglichkeiten, sich an diesen Entwicklungen zu beteiligen.

Das Angebot:

  • Eine systemtheoretische Grundlage schaffen bzw. vertiefen und Konzepte von Organisation, Führung, Kommunikation definieren.
  • Gesellschaftliche Transformation als Thema für Führung und Strategie sehen und gestalten und damit die Gesellschaft in die Organisation herein holen.
  • Know-how für die Gestaltung von komplexen Veränderungs-Prozessen aufbauen. Die Konzepte und Methoden sollen es ermöglichen, Menschen für die aktive Beteiligung zu gewinnen.

Start: 7.10.2024. Wenn Sie sich näher informieren möchten, dann kommen Sie doch zum nächsten virtuellen Info-Abend am 13.5. oder 9.9., jeweils 18.00 Uhr.
Anmeldung unter office@seliger-consulting.net
oder Sie besuchen mich auf meiner Website: www.seliger-consulting.net

Das „forum:transformieren“ ist ein neues Kommunikations-Format, in dem Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern – Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik – zu den großen Herausforderungen der Gesellschaft – Ökonomie, Ökologie, Demokratie – in einen produktiven Diskurs gehen und ihre eigenen konkreten Transformations-Vorhaben mit neuen Ideen, Menschen und Energie aufladen können. Das forum:transformieren soll ein Anfang für weitere Schritte hinsichtlich der eigenen Projekte und weiteren Kooperationen sein.

12. und 13. April in Wien. Wenn Sie an dem forum:transformieren teilnehmen möchten, dann besuchen Sie mich beim nächsten virtuellen Info-Talk am 14.3. um 18.00 Uhr, Anmeldung unter buero@communityforchange.at
oder besuchen Sie uns auf unserer Website: www.forumtransformieren.events

Transformation braucht viele Menschen, die sich interessieren, engagieren und handeln. Möglicherweise sehen wir einander in der einen oder anderen Veranstaltungen. Das würde mich sehr freuen.

Herzlichen Gruß,

Ruth Seliger